Link zur Seite versenden   Druckansicht öffnen
 

Altes gewerbe – ungewisse zukunft

Eine kurze Geschichte der Fischerei am Bodensee

Geblieben sind die langen, einsamen Fahrten in den frühen Morgenstunden. Das Fischerhandwerk am Bodensee hat sich in den letzten 100 Jahren grundlegend verändert. Das 20. Jahrhundert brachte auch für die Fischerei ein Zeitalter der Extreme: Goldene Phasen mit hohen Erträgen standen Überdüngung und Sauerstoffknappheit im See gegenüber. Im neuen Jahrhundert stellen Klimawandel, fehlende Nährstoffe und invasive Arten die Fischer vor neue Herausforderungen: Die Fischereierträge rund um den Bodensee sind in den letzten zehn Jahren drastisch zurückgegangen. Die Bodenseefischerei steht vor einer ungewissen Zukunft.  


Gefischt wird am Bodensee seit Menschen dessen Ufern besiedeln. Grabungsfunde belegen, dass bereits zur Zeit der Pfahlbauten vor 6000 Jahren Angeln, Reusen, Stell- und Zugnetze verwendet wurden. Bei den Römern fanden die Bodenseefische bei Plinius dem Älteren Erwähnung: Die Leber des Dorschs vom Bodensee – gemeint war wohl die Trüsche – schmecke genauso gut wie jene des Dorschs aus dem Meer, schrieb er um 77 n. Chr. in seiner „Naturalis Historia“. Im Mittelalter entstanden die rechtlichen Grundlagen der Fischerei und die Palette an verschiedenen Fangwerkzeugen nahm jene Form an, die sie über Jahrhunderte behalten sollte. Die Fischer organisierten sich ab dem Spätmittelalter etwa in den Städten Konstanz und Lindau in Zünften, die Fischereiordnungen erließen. Diese bestimmten den Einsatz verschiedener Fangwerkzeuge, legten Schonzeiten und Schonmasse fest und regelten den Verkauf auf dem Markt. Die ausgeklügelten, längerfristig angelegten Verordnungen stellten sicher, dass der See nicht überfischt wurde und blieben bis ins 19. Jahrhundert in Kraft.


Die Industrialisierung, die Abschaffung der Zünfte und neue Fangmethoden veränderten die Welt der Fischer im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die Bevölkerung wuchs und gerade am Untersee suchten ehemalige Winzer und Bauern ein Auskommen in der Fischerei. Neuartige Baumwollnetze versprachen höhere Fangerträge, gleichzeitig stieg aber auch die Furcht vor einer Überfischung des Sees. Mit der Bregenzer Übereinkunft von 1893 regelte erstmals ein internationales Abkommen zwischen den Anrainerstaaten alle Aspekte der Bodenseefischerei mit dem Ziel „die wertvollen Fischarten im Bodensee zu erhalten und zu vermehren“1. Das Abkommen hatte damals international Vorbildcharakter und ist bis heute gültig.


Bis in die 1950er-Jahre galt der Bodensee als nährstoffarm, die Fischerträge blieben verhältnismäßig niedrig, aber konstant. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft und durch Abwässer stieg der Phosphorgehalt kontinuierlich an – der See wurde nährstoffreicher, die Erträge der Fischer stiegen. Gleichzeitig erleichterten Kunststoffnetze und die nun verbreitete Motorisierung den Fang. Die Zeit von Mitte der 1950er bis Mitte der 1960er-Jahre wird daher gemeinhin als erste „goldene Zeit“ der Fischerei bezeichnet. Wenig später führte der steigende Nährstoffgehalt jedoch zu einer Überdüngung des Sees, der Sauerstoff wurde knapp und der See drohte in den 1970er- und 1980er-Jahren zu „kippen“. Erst durch verstärkte Bemühungen im Gewässerschutz, etwa durch den Bau von Kläranlagen, konnte der Nährstoffgehalt im See wieder gesenkt werden. Nach einer zweiten „goldenen“ Phase der Fischerei zwischen 1991 und 2005 mit konstant hohen Erträgen, ist der Bodensee heute wieder zu einem ähnlich nährstoffarmen Gewässer wie vor 1950 geworden. Entsprechend sinken auch die Fischerträge. Mittlerweile liegen die Fangquoten der Berufsfischer auf neuen Tiefstständen. Denn das Ökosystem See steht vor weiteren, menschgemachten Herausforderungen: Klimawandel und steigende Temperaturen verändern den Lebensraum mit noch nicht absehbaren Folgen. Invasive Arten wie Stichling oder Quaggamuschel verbreiten sich rasant und setzen heimische Arten weiter unter Druck. Gerade der Felchen, einst der „Brotfisch“ vom Bodensee, findet sich immer weniger in den Netzen. Von der Fischerei alleine können die verbliebenen rund 80 Berufsfischerinnen und -fischer am Obersee nicht mehr leben.


Einmal  mehr sind heute innovative Lösung gesucht, damit nicht nur der Bodenseefisch als regionales, nachhaltiges Nahrungsmittel, sondern der gesamte Lebensraum Bodensee künftigen Generationen erhalten bleibt.

 

Verwendete Literatur:

  • Roesch et al.: Von Fischen, Fischern und Forschern – Ein Streifzug durch die Bodenseefischerei, Stuttgart 2020.
  • Zeheter, Michael: Die Ordnung der Fischer. Nachhaltigkeit und Fischerei am Bodensee (1350-1900), Köln 2014.

07.04.2021 – Hunziker, Leiter Seemuseum


1Schlussprotokoll der Bregenzer Übereinkunft vom 5. Juli 1893, S. 1; online abrufbar unter: http://www.ibkf.org/wp-content/uploads/2018/03/Bregenzer_Uebereinkunft_1893.pdf

 
Bannerbild
Bannerbild
Bannerbild